13 Thesen über die Unabdingbarkeit der Werkerziehung
Oder: Warum kann man Werkerziehung nicht endlich ganz abschaffen?
- Werkerziehung ist das Tor zur Studierfähigkeit für Menschen, die einen
technisch-praktischen Zugang zum Erkenntnisgewinn haben. Anfassen kommt von
Erfassen, Greifen vor Begreifen ...
- Werkerziehung ist die Grundlage für Technologieverständnis und
Technikkritik. Wer unsere jetzige Welt verstehen will, braucht technische
Kenntnisse, wer unsere (vielleicht zu) technische Welt verändern will, muss
wissen, was man weglassen kann.
- Werkerziehung ist das Entwicklungs- und Bewährungsfeld für Eigeninitiative
und Selbständigkeit. Immer nur brav Aufgaben machen ist zu wenig. Eigene Ideen
konkret ausprobieren, immer wieder neue Versuche starten, Lösungen finden und
das Werk mit eigenen Händen zusammenbauen - daraus entsteht das Bewusstsein: ich
schaffe es!
- Werkerziehung ist der für eine ganzheitliche Bildung notwendige
handwerklich-praktische Gegenpol zur kopflastigen Theorie.
- Werkerziehung ist das Labor für Experimentieren, Forschen, Begreifen und
Verstehen von Zusammenhängen. Das Denken in Systemen, das Zusammenführen der
theoretischen Fächer in praktischen, real existierenden Projekten und
Werkstücken - so wird Wissen beGREIFbar. Werkerziehung spannt eine Brücke
zwischen Theorie und Praxis für alle anderen Schulfächer.
- Werkerziehung ist die Nagelprobe für schulische Bildung durch konkretes,
praktisches Problemlösen. Fit für die Aufgaben der Zukunft.
- Werkerziehung ist ein Herausfordern der Kreativität (z.B. durch Erfinden).
Nicht sklavisches Nachbauen von vorgefertigten Bausätzen, sondern
Aufgabenstellungen, bei denen die Lösung auch für die LehrerInnen noch offen
ist, Nutzung der kindlichen Kreativität für zukünftige Lösungen.
- Werkerziehung ist eine Ausbildung zur Technikfolgenabschätzung. Nicht
alles was der Mensch machen kann, soll er auch erschaffen - Techno-Ethik in der
Praxis.
- Werkerziehung ist eine wichtige Hilfe zur Teamfähigkeit. Weg vom
Einzelkämpfer, Teamwork ist gefragt. Der/die junge Erfinderin, der/die
zukünftige Handwerkerin, der/die Organisatorin von morgen, der/die immer
hilfsbereite Handlangerin - jede/r findet in der Projektgruppe
seinen/ihren Platz.
- Werkerziehung ist das Bindeglied zwischen Kunst und Alltagskultur
["Design oder nicht Sein" - Wiener Werkstätte, Thonet und andere Beispiele
österreichischer Gestaltungskunst für Gegenstände des täglichen Lebens].
Werkerziehung schafft das Bedürfnis nach qualitätsvoller Gebrauchskunst.
- Werkerziehung ist die Vorraussetzung für bewusstes Konsumverhalten. Wer
seine Bedürfnisse kennt, wer die Qualitätskriterien kennt, wer die
gestalterischen Möglichkeiten kennt, der fällt auf keinen Ramsch herein.
- Werkerziehung ist eine Hilfe zur Überlebensfähigkeit in Krisenzeiten
durch die Vermittlung von Basis- und Alternativtechnologien. Wer kennt sie noch,
die alten, aber wirksamen Tricks unserer Vorfahren, als es noch keinen
elektrischen Strom gab, als alles noch von Hand gemacht wurde? Werkerziehung als
"Pfadfinderlager" und als "Überlebenstrainingscamp".
- Werkerziehung ist die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen in einer vom Menschen gemachten Welt. Der Mensch gestaltet die Natur mit Hilfe der Technik nach seinen Gutdünken um. Unsere Kultur hat sich bereits sehr weit von der Natur wegentwickelt. Der Werkunterricht vermittelt Sachverstand und Verantwortlichkeit, um in dieser von der Technik bestimmten Welt zurechtzukommen.